Gesundheitsschäden vermeiden

Chronische Hormonerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Wachstumshormonmangel, Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto, Diabetes, Störungen der Geschlechtsentwicklung, adrenogenitales Syndrom (AGS), Knochenerkrankungen oder Erkrankungen von Hypophyse und Nebenniere: Kinder und Jugendliche mit chronischen endokrinologischen Erkrankungen werden nicht selten schon seit frühester Kindheit von pädiatrischen Endokrinologinnen und Endokrinologen versorgt.

Doch beim Übergang zu internistischen Hormonspezialistinnen und -spezialisten ins Erwachsenenalter kommt es oftmals zur Behandlungsunterbrechung oder gar zum Abbruch. Die Folgen können ein schlechterer Gesundheitszustand und eine lebenslang erniedrigte Lebensqualität sein. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE) und die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Endokrinologie und Diabetologie e.V. (DGPAED) fordern daher eine regelhafte Transitionsleistung für alle Heranwachsenden mit chronischen hormonellen Erkrankungen.

Transition ist der zielgerichtete Übergang von jungen, chronisch kranken Menschen von Kind-zentrierter in die Erwachsenen-orientierte Versorgung. Dabei erfolgt die strukturierte Weitergabe von wichtigen Krankheitsinformationen aus der Kindheit. „Dies geschieht etwa durch ein Übergabeprotokoll des spezialisierten Kinderarztes oder -ärztin sowie durch gemeinsame Übergabesprechstunden mit Kindern, Eltern und den alten und zukünftigen Behandelnden“, nennt Privatdozentin Dr. med. Nicole Unger, Oberärztin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie & Stoffwechsel und Leiterin des Essener Zentrums für Seltene Endokrinologische Erkrankungen am Universitätsklinikum Essen, Beispiele. So könne die medizinische und fachübergreifende Behandlung – etwa durch Physiotherapeuten, Psychologen und andere – nahtlos weitergeführt werden.

Eine Transition gilt dann als erfolgreich, wenn die jungen Erwachsenen am Ende der Transitionsphase selbst Expertinnen und Experten für ihre Gesundheit geworden sind.

Der Übergang ins Erwachsenenalter ist eine Sollbruchstelle der ärztlichen Versorgung

In Deutschland werden Kinder bis zum etwa 18. Geburtstag von Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin betreut. Danach müssen sie in die erwachsenenorientierte Gesundheitsversorgung wechseln. „Diese Transition kann für Jugendliche mit besonderem gesundheitlichen Versorgungsbedarf eine Sollbruchstelle ihrer Gesundheit sein“, so Unger. „Das betrifft in Deutschland fast 14 Prozent der Jugendlichen.“

Denn häufig fällt das Erwachsenwerden mit anderen tiefgreifenden Veränderungen zusammen, wie Abschluss der Schule, Auszug aus dem Elternhaus und Auflösung des bisherigen sozialen Netzwerkes.

„Kommt dann noch ein Wechsel in der medizinischen Betreuung dazu, kann das die Gesundheit destabilisieren“, sagt auch Professor Dr. med. Berthold P. Hauffa, ehemaliger Leiter der Abteilung für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen am Universitätsklinikum Essen. Er ergänzt: „Gerade für Menschen mit Hormonstörungen kann die Adoleszenz eine besonders sensible Phase sein“. Er gibt zu bedenken: „Langzeit-Komplikationen entwickeln sich unbehandelt oft schleichend über viele Jahre, zum Teil Jahrzehnte. Sie sind daher für die Betroffenen nicht immer offensichtlich und machen es ihnen schwer zu verstehen, wie wichtig eine kontinuierliche Therapie ist“.

Endokrinologinnen und Endokrinologen als Behandlungs-Lotsen

„Idealerweise übernehmen Endokrinologinnen und Endokrinologen die Mittlerfunktion und Koordination zwischen den verschiedenen Disziplinen und halten die Fäden der Betreuung zusammen“, sagt Unger.

Da viele dieser Erkrankungen selten sind, gibt es zum Teil nur wenig Erfahrung mit Langzeitverläufen. „Deshalb sollte hier die Betreuung in spezialisierten Zentren mit wissenschaftlicher Auswertung der Langzeitergebnisse erfolgen. Des Weiteren wäre eine Zusammenarbeit mit anderen Zentren auf nationaler und internationaler Ebene vorteilhaft. Nur auf dieser Basis kann letztlich eine evidenzbasierte Medizin und damit eine verbesserte Versorgung der Patienten im Bereich der (seltenen) endokrinologischen Erkrankungen erreicht werden“, findet Dr. med. Cordula Kiewert, Leiterin der Abteilung für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Essen.

„Die Sensibilisierung für das Thema Transition sowie die Schaffung von Transitionsstrukturen ist Vertreterinnen und Vertretern von Kinderendokrinologie und Diabetologie schon seit Jahren ein zentrales Anliegen. Mit der Etablierung deutschlandweiter „Turner-Zentren“ ist dabei ein hoffnungsvoller Beginn erfolgt, dem möglichst schon bald Zentren für weitere seltene endokrinologische Erkrankungen folgen sollten“, sagt Dr. Dirk Schnabel von der Pädiatrischen Endokrinologie und Diabetologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin und Präsident der DGPAED e.V.

„Auch für die DGE ist Transition ein wichtiges Thema. Denn die Betreuung an Kliniken und Praxen ist nicht einheitlich geregelt, zudem fehlen eine ausreichende Finanzierung und Wahrnehmung“, so DGE-Pressesprecher Professor Dr. med. Stephan Petersenn von der ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie in Hamburg. Das müsse sich ändern. „Umso erfreulicher, dass einige Kliniken mit viel Engagement und in unterschiedlichen Konzepten langfristige Transitionssprechstunden etabliert haben. So wird die von Professor Hauffa vor etwa 25 Jahren gegründete Transitionssprechstunde am Universitätsklinikum Essen sehr erfolgreich von Frau PD Dr. Unger und Frau Dr. Kiewert fortgeführt und weiterentwickelt. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums gibt ein gemeinsames Symposium am 22. März 2023 einen Überblick über die wichtige Rolle der Transition bei der kontinuierlichen Versorgung junger Patientinnen und Patienten.“

Quelle: DGE und DGPAED